Explosiv: „Wilhelm Tell“ in Oberammergau
Der ganze Ort bereitet sich schon auf die Passionsspiele 2020 vor, aber in diesem Sommer griff Christian Stückl noch einmal zu einem Klassiker von Friedrich Schiller, dem „Wilhelm Tell“, um mit 80 Laiendarstellern auf die Bühne des Passionstheaters zu gehen. Das Schauspiel um den Gründungsmythos der Eidgenossenschaft geriet aber nicht zum Folklorestück, sondern zu einem explosiv spannenden Abend. Stückl verlegte das Ganze in ein unbestimmtes Hier und Heute.
Verbrannte Gebäude beherrschen die Bühne von Stefan Hageneier. Die Bewohner der Kantone kommen wie Freischärler daher, die Mannen Gesslers tragen schwarze Uniformen. Werner von Attinghausen betritt als Erster die Bühne und sorgt sich um seinen Neffen Ulrich von Rudenz, der sich den Machthabern und Besatzern angeschlossen hat – Peter Stückl, der Vater des Regisseurs, spricht die Schillerschen Verse mit großer Kunst und legt die Messlatte hoch – viele Oberammergauer zeigen diese Qualität nicht.
Temporeichtum und packende Darstellung sorgen aber in diesem „Tell“ dafür, dass Ähnlichkeiten zu aktuellen Geschehnissen unweigerlich in den Sinn kommen. Dieser Tell verweigert sich am Ende auch jeder Glorifizierung. Als asiger Gessler glänzt Andreas Richter, ganz wie Javier Bardem in „Skyfall“: intelligent bösartig. Auch dadurch gerät der Apfelschuss zu einer hoch spannenden Szene. Anton Preisinger (Walter Fürst) und Frederik Mayet (Stauffacher) führen die Kantone Uri und Schwyz an, Cengiz Görür kraftvoll als Melchtal Unterwalden. Der Tell von Rochus Rückel scheint zu jung für seinen Part, kann aber mit guter Sprachbehandlung seine fehlende Körperspannung wettmachen.
Info Weitere Vorstellungen von „Wilhelm Tell“ im Passionstheater Oberammergau:: 20./21. Juli, 2./4. und 10./11. August.
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